Screenrunner

Sie sind überall: Bildschirme! Wo man hinschaut blickt man heute irgendwo auf ein Display. Und hat man doch einmal keines um sich, greift man in die eigene Hosentasche und holt einen kleinen, transportablen Bildschirm heraus. Viele Smartphones haben heute schon bessere Displays als gängige Fernsehgeräte, und praktisch jeder hat zumindest eines davon. Der Gedanke liegt nahe sie auch als Grundlage für ein Kunstprojekt zu nutzen.

Nach einer kleinen Internetrecherche und einem kurzen Brainstorming einigten wir uns relativ schnell auf ein Projekt. Wir wollten versuchen eine Figur aus dem einen Handy heraus und in das andere Handy hineingehen zu lassen. Quasi ein flüssiger Wechsel von einem Gerät zum anderen. Wir hatten Ähnliches animiert gesehen, wollten das aber mit Realfilm bewerkstelligen. Wir begannen damit uns eine Geschichte auszudenken. Schnell legten wir uns als Handlungsort auf ein Gebäude fest. Jedes Handy würde hier einen eigenen Raum darstellen. Drehen wollten wir alles an unterschiedlichen Orten innerhalb des Schulgeländes.

Wir skizzierten die wichtigsten Szenen auf kleinen Papierschnipseln, die unsere Smartphones darstellen sollten. Nun konnten wir sie nach Belieben arrangieren, umzeichnen oder ersetzen. So entstand die ungefähre Geschichte in den Köpfen. Im Zentrum steht eine geheimnisvolle Kiste, die von der Hauptdarstellerin herum getragen wird. Sie wird verfolgt von schwarz gekleideten Gestalten, die an dem Inhalt der Kiste interessiert sind. Mit der Zeit sollen sich immer mehr Verfolger anschließen.

Der erste Schritt war getan. Nun ging es an die technische Umsetzung. Wir wussten zu diesem Zeitpunkt noch nicht wie gut und ob das ganze überhaupt klappen würde. Also drehten wir testweise zwei Einstellungen an zwei unterschiedlichen Orten in der Schule und versuchten diese am Computer nebeneinander abzuspielen. Das Ergebnis gefiel uns ausgesprochen gut.

Motiviert von diesem ersten kleinen Erfolgserlebnis begannen wir die einzelnen Einstellungen zu drehen. Wir entschieden uns dagegen die Videos tatsächlich mit den Smartphones aufzunehmen und griffen stattdessen zu einer Spiegelreflexkamera, die wir besser auf ein Stativ schrauben konnten. Schnell erkannten wir wichtige Regeln, die wir einhalten mussten:

  • Die Horizontlinie sollte bei allen Videos in etwa in der gleichen Höhe sein.
    Wir klebten daher eine Markierung auf das Display
  • Der Abstand von Kamera zur Schauspielerin sollte in etwas stabil bleiben.
    Dies versuchten wir mit Gefühl zu lösen
  • Jede Szene muss mit dem gleichen Fuß betreten und verlassen werden.
    Wir legten fest, dass wir immer mit dem rechten Fuß ins Bild kamen und auch mit dem rechten Fuß zuerst wieder aus dem sichtbaren Bereich hinaus traten.
  • Kleidung sollte sich nach Möglichkeit nicht ändern.
    Bei den Schuhen machten wir eine Ausnahme, aber darauf achtet niemand =)

Einige der Szenen, vor allem jene, in denen mehrere Personen vorkommen, stellten unsere Geduld stark auf die Probe, andere wiederum klappten direkt auf Anhieb. Als schließlich alle im Kasten waren luden wir die einzelnen Videos in Adobe Premiere und legten jedes Video in eine eigene Videospur. Auf 18% verkleinert hatten alle Szenen schön auf einem Bildschirm platz und wir konnten Feinabstimmungen im Arrangement vornehmen. An manchen Stellen mussten wir die Geschwindigkeit des Videos verändern um längere oder kürzere Pausen zwischen Aktionen zu bekommen. Auch musste zum Beispiel das Video auf dem letzten Handy zunächst sehr lange ein Standbild zeigen bevor die Akteure zu ihm kommen.

Als alles geschnitten und vorbereitet war, begannen wir damit die einzelnen Videos auf die Handies zu spielen. Bei Android-Geräten war dies sehr einfach, allerdings hatten wir auch einige iPhones im Aufgebot. Hier behalfen wir uns damit die Videos auf Youtube zu laden und sie via der Youtube-App auf den Telefonen laufen zu lassen. Als Untergrund für den Dreh wählten wir die Platte eines der Arbeitstische in unserem Werkraum, da diese eine sehr interessante Oberflächenbeschaffenheit aufweisen. Selbst das finale Aufzeichnen des gesamten Durchlaufs bot noch einige Stolpersteine. Sei es, dass einer der Finger die Playtaste nicht ordentlich erwischte, oder dass ein Handy den Empfang verlor, zu dunkel war, oder in den Standby-Modus wechselte. Letztendlich konnten wir aber doch zumindest einen halbwegs sauberen Durchlauf aufzeichnen und nun voller Stolz das Endergebnis präsentieren.

Im Zuges des Ars Electronica Festivals 2015 wurde das Projekt mit einer Anerkennung in der Kategorie „u19“ bedacht. Hier die Zusammenfassung der Preisverleihung:

Im Rahmen des mla:connect Festivals 2015 im Dschungel Wien wurde dem Projekt der Media Literacy Award in der Kategorie Video verliehen. Die Jurybegründung:

„Eine simple Versuchsanordnung, die begeistert: 17 Handyscreens, 17 Bildausschnitte. Aneinandergereihte Smartphones werden zur Kulisse einer Verfolgungsjagd von Bild zu Bild, Screen zu Screen: Digital filmmaking anno 2015. Will der Lift in die nächste Etage, so muss auch im 21. Jahrhundert noch „analog“ angepackt werden. Also verschieben die SchülerInnen selbst ihren Filmraum – in echter, altbewährter Handarbeit – und lassen filmische Realitätsebenen verschmelzen.
Mit perfektem Timing und einem gesunden Hang zur Spielerei befragt Screenrunner die Omnipräsenz von Bildschirmen und Bewegtbildern in unserem Alltag. Und erhebt dabei einen Status quo der Möglichkeiten filmischer Artikulation im Zeitalter von technisch brillanten, stets verfügbaren Aufnahmemedien. Erfrischenderweise wollen sich die SchülerInnen vom BORG Bad Leonfelden damit nicht zufriedengeben. Bei ihnen fungiert das Mobiltelefon gleichzeitig als Aufnahme- sowie Abspielmedium und dazu als zentrales Bildelement. Nicht spontane Beobachtung und Dokumentation, sondern Konzept und Struktur rücken im Umgang mit dem vielleicht zentralen Medium ihrer Zeit in den Fokus. Wer noch ein antiquiertes Handy mit Zahlentasten besitzt, wird angesichts solcher Fantastik nur ungläubig den Kopf schütteln. Zu unrecht: Heutzutage ist das Telefon längst Trickmaschine (ähnlich dem Kino anno 1895). Ein herrlich erfrischendes Lehrstück aus Oberösterreich.“